Betrachte mithilfe dieses Schreibimpulses etwas, das du im Rückblick bereust.
#Schreiberfahrungen – Schreiben bedeutet in eine Welt zu entfliehen
Als Fantasy-Autor und begeisterter Reenactor bedeutet das Schreiben für Laurence Horn in eine Welt zu entfliehen, in der er alles sein kann, was im echten Leben nicht möglich ist.
Schreib darüber - ein Interview #3 mit Laurence Horn über seine Schreiberfahrungen
Drei Worte, die dich am Besten beschreiben:
Chaotisch, witzig, zielstrebig.
Schreiben bedeutet für mich ...
Freiheit und Entspannung. In eine Welt zu entfliehen, in der ich alles sein kann, was im echten Leben nicht möglich ist. Schreiben entschleunigt mich vom Alltagsstress. Frust und Ärger kann ich so viel besser verarbeiten, indem ich ein paar Bösewichter im Buch sterben lasse, anstatt die eigenen Kollegen oder den Chef im Büro umzubringen.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Das ist die typische Geschichte vom Rollenspieler zum Autor. Für Fantasy und Mittelalter habe ich mich schon mein ganzes Leben lang interessiert. Irgendwann habe ich dann Pen & Paper Rollenspiele wie Dungeons & Dragons (D&D), Das Schwarze Auge (DAS) und AD&D angefangen. Zum Verständnis: Ein Spielleiter erzählt eine Geschichte und eine Gruppe bestehend z.B. aus Kämpfer, Heiler, Zwerg, Elb oder sonst was muss eine Aufgabe lösen. Z.B. einen Schatz finden, ein Monster besiegen oder eine Prinzessin befreien. Gespielt wird mit einem Charakterbogen, einem Stift und Würfeln. Deshalb auch Pen&Paper 😉
Irgendwann verlor ich das Interesse und es kam eine laaaange Zeit nichts. Viele Partys, Musik machen, viel Arbeit, Geld verdienen und so´n Kram. Aber irgendwann (ich glaube es war 2003) ist ein alter Kumpel in mein Dorf gezogen und hat mich gefragt, ob ich nicht wieder Lust hätte zu spielen. So habe ich Rolemaster angefangen und nach zwei, drei Jahren sollte ich den Spielleiter machen. Kein Problem, an Fantasie mangelte es mir nie. Allerdings wurden die Abenteuer so umfangreich (270 DIN A4 Seiten lang war mein letztes Abenteuer), dass meine Kumpels sagten: „Alter! Schreib mal ein Buch.“ Und so habe ich angefangen, zu Schreiben.
Ich habe den Mut aufgebracht, mir einen Schreibcoach genommen und meinen ersten Roman geschrieben. „Rodinia – Die Rückkehr des Zauberers“. Das klingt jetzt sehr einfach, aber es war harte Arbeit und hat 3 ½ Jahre gedauert. Mittlerweile habe ich einen zweiten Teil der Trilogie („Die Flucht des Zauberers“) und diverse Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien und bei verschiedenen Verlagen herausgebracht. Reich wird man nicht dadurch, aber es bringt mir immer noch sehr große Freude und entspannt mich.
Mit was für Problemen kämpfst du/hast du gekämpft und (wie) hilft dir Schreiben dabei?
Ich habe 2010 meine erste Depressive Episode (ja, so nennen die Ärzte das.) bekommen. 4 Monate war ich krankgeschrieben und habe dann ca. 1 Jahr Antidepressiva genommen. Heute kann ich darüber frei sprechen, da mir gerade diese Gespräche (oft mit Gleichgesinnten) helfen. (Damals habe ich noch nicht intensiv geschrieben, 2013 habe ich meinen ersten Roman begonnen.)
2018 bekam ich meine zweite depressive Episode. Ich war fast ein Jahr krankgeschrieben inklusive einer Kur. Die Zeit über habe ich sehr viel geschrieben und gemerkt, dass es mir hilft, die Probleme aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Ich habe ganz viel in meinen zweiten Roman eingebracht, ohne das es ein Leser merkt. Aber meine Charaktere besitzen alle Züge oder Angewohnheiten, die ich auch habe. Und gerade das hat mir geholfen.
Ich habe meine tieferliegenden Probleme durch das Schreiben verstanden, und die Vergangenheit teilweise aufgearbeitet. (Natürlich mit der Hilfe eines Psychologen auf der Kur und danach in einer Irena-Nachsorge-Gruppe.) Ich habe jetzt verstanden, das die Depressionen niemals ganz weggehen, aber ich weiß jetzt mit ihnen besser umzugehen.
Wie nutzt du das Schreiben am Liebsten?/Was schreibst du?
Ich schreibe hauptsächlich Fantasy. Am liebsten mit Zauberern und Magiern und vielen Kämpfen. Bei mir muss ein Held ein Held sein.
Am liebsten nutze ich das Schreiben zur Entspannung. Dann vergesse ich alle Sorgen und Probleme und tauche ein in eine fantastische Welt, die ich nach meinen Vorstellungen erschaffe.
Ich bin ein harmoniesüchtiger Mensch und daher werfen mich Streitereien oft aus der Bahn. Aber runtergeschrieben ist der Ärger nur noch halb so schlimm. Ich bin dann stolz, wieder ein paar Seiten geschrieben zu haben.
Was ist das Schwierigste beim Schreiben/im kreativen Prozess für dich?
Die Schwierigkeit besteht hauptsächlich in der Kontinuität. Am Ball zu bleiben und eine Sache fertig zu schreiben, fällt mir oft schwer. Haus, Arbeit und Familie in Einklang mit dem Schreiben zu bringen ist schwer. Da muss ich häufig meinen kreativen Schreibfluss unterbrechen, weil ich irgendwo hin muss oder die Gartenarbeit ruft. Komme ich zurück an den Schreibtisch, muss ich mich erst wieder in die Geschichte, in die entsprechende Stimmung hineinfinden und das ist nicht immer leicht.
Ich prokrastiniere zum Beispiel auch viel zu oft (einer meiner größten Fehler). Zu Deutsch: Aufschieberitis. Das heißt, ich mache alles Mögliche nur nicht das Wichtige, z.B. schreiben 😉
Was ist das Schönste/Bereichernste beim Schreiben/im kreativen Prozess für dich?
Etwas wachsen zu sehen. Zu sehen, wie aus einer Idee ein Buch entsteht. Zu sehen, dass meine Worte, meine Geschichten Anklang finden und die Menschen erfreuen. Ich habe sogar zwei Lesungen während meiner Kur in der Kurklinik gemacht, weil ich den Mitpatienten eine kurze Ablenkung von ihren Problemen geben wollte. Und es hat funktioniert.
Gibt es Hobbys und Dinge, die du tust, wenn du nicht schreibst?
Oh, da gibt es eine Menge. Wenn ich nicht gerade im Büro arbeite, arbeite ich im Garten, (Ich baue gerade eine neue Werkstatt), mähe Rasen (3322m2 Grundstücksfläche), helfe meiner Mutter (die ist über 70 Jahre alt), spiele mit meinem Sohn oder Schreibe. Meistens in der Reihenfolge :-/
Und dann kommt noch unser Haupthobby hinzu: Das Reenactment. Das ist die lebendige Darstellung des erlebten Mittelalters. Wir arbeiten mittlerweile viel mit Museen zusammen und versuchen den Besuchern zu zeigen, wie das Leben ausgesehen haben könnte. Dafür reisen wir viel herum. (Vom 9.07. -12.07.2020 sind wir übrigens wieder in Schleswig im Freiluftmuseum Heithabu).
Des Weiteren betreibe ich mit meiner Frau Schwertkampf im Hobby. Wir haben bereits große Schlachten mit bis zu 600 Mann/Frau dargestellt wie in Wolin (Polen) oder in Dänemarks Moesgard oder Trelleborg. Die Schlacht in Hastings (im Jahre 1066) war das größte Spektakel, bei dem wir mit 2000 Leuten auf dem Schlachtfeld standen. Hieraus ergibt sich natürlich auch eine immense Inspiration für meine Bücher und Geschichten.
Seit kurzer Zeit interessiere ich mich auch noch für eine Steampunk Darstellung. Das ist die Zeit um 1800-1900 im Viktorianischem Stil aber ein wenig nach Jules Verne, also mit fliegenden und dampfbetriebenen Luftschiffen und Zahnrädern usw. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten und man kann viel mit alten Materialien basteln und Dinge erschaffen. Du merkst schon: erschaffen ist mir irgendwie wichtig 😉
Was treibt dich an?
Was treibt mich an… ja, da ist es wieder. Das Erschaffen. Ich glaube, - und das habe ich durch meine Kur verstanden -, es ist die ständige Suche nach Anerkennung. Das ist der Hauptdämon, der mich quält, da ich in meiner Kindheit wenig bzw. gar keine Anerkennung bekommen habe. Fehlende Liebe spielt auch noch eine Rolle. Zwar bin ich behütet aufgewachsen, aber wir Kinder liefen eben so nebenher. Wir waren halt da und meine Eltern haben gearbeitet und hatten wenig Zeit. Meinen Vater habe ich oft nur kurz zum Abendessen gesehen, sonst nicht. Von daher habe ich mein Leben lang versucht, es allen recht zu machen um Lob und Anerkennung zu bekommen, um gemocht zu werden.
Heute habe ich das verstanden und kann damit umgehen. Auch finde ich ja durch meine Bücher und Geschichten Zuspruch. Es stört mich aber nicht mehr, wenn jemand mein Buch nicht toll findet oder ich eine schlechte Rezension erhalte. Ich habe gelernt: Man kann es nicht allen Recht machen.
Gibt es etwas, dass du Anderen gerne mitgeben möchtest?
Gebt nicht auf. Egal wobei. Z.B im Bezug auf das Schreiben: Es muss kein Roman sein. Es hilft schon, die eigenen Gedanken aufzuschreiben. Ich habe auf der Kur meine Träume aufgeschrieben. Daraus ergeben sich verrückte Geschichten und vielleicht entwickelt sich daraus etwas.
Eine zweite große Hilfe ist es, die Dinge, die man erlebt hat, gesehen hat, aufzuschreiben. Ich habe mir ein Notiz-Buch zugelegt, in dem ich all solche Dinge aufschreibe. (Es gab mal eines bei Aldi: „Was ich schon immer machen wollte – Pläne Ideen und Wünsche“. So ein Buch kann man sich aber auch selbst machen.)
Wenn ich mal traurig bin, schaue ich in dieses von mir gefüllte Buch und erinnere mich an die vielen Dinge, die ich erlebt und erschaffen habe (ja, auch Blumen oder das berühmte Bäumchen pflanzen zählt zum Erschaffen dazu. Hinein damit ins Buch.). Und dann merke ich, was für ein toller und wertvoller Mensch ich eigentlich bin.
Und das ist jeder von euch: wertvoll.
Hast Du Lust bekommen, ebenfalls über Deine Erfahrung mit dem Schreiben zu berichten?
Dann melde Dich gerne über das Kontaktformular bei mir oder schreib eine Mail an kontakt(at)seelenschreiberei.org.
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