Im Schreiben einen sicheren Hafen inmitten von Depressionen und Angstzuständen finden: Darüber berichtet Jenny im Schreiberfahrungen Interview.
#Schreiberfahrungen – Schreiben bedeutet Abzuschalten
Lady of Glencoe hat in ihrem Leben viel erlebt, doch den Geschichten in ihrem Kopf freien Lauf zu lassen hilft ihr, vom Alltag abzuschalten.
Schreib darüber - ein Interview #13 mit Lady of Glencoe
über ihre Schreiberfahrungen
Drei Worte, die dich am Besten beschreiben:
Introvertiert, Kritikfähig, Unromantisch.
Schreiben bedeutet für mich ...
Abschalten vom Alltag. Den Geschichten in meinem Kopf freien Lauf zu lassen. Eine Welt zu kreieren, die nicht immer optimal läuft, aber trotzdem ein Happy End verdient hat.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Geschichten hatte ich immer im Kopf, solange wie ich denken konnte. Manche habe ich angefangen aufzuschreiben, aber meist blieben sie nur in meinem Kopf. Ich habe lieber die Geschichten anderer gelesen.
Der ausschlaggebende Punkt, das ich doch mit dem Schreiben anfing, war der Tod meiner Mutter. Sie hatte eine Geschichte, die ich etwa 25 Jahre zuvor noch auf einer alten Schreibmaschine geschrieben habe, in einem Ringbuch abgeheftet und über all die Jahre verwahrt. (diese Geschichte hatte über 300 Din A 5 Blätter, beidseitig beschrieben).
Ich selbst konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, bis zu dem Tag, als meine Mutter beerdigt wurde und ich sie in ihrem geliebten Handarbeitskorb gefunden habe.
Sagen wir mal so, die Geschichte war gut, der Stil grottenschlecht. Doch genau diese Geschichte habe ich neu erfunden, habe sie in eine bessere Form gebracht und es half mir, aus diesem tiefen Loch der Trauer, in das ich gefallen war, herauszukommen.
Eigentlich könnte man sagen, ich schreibe nur um meine verstorbene Mutter zu ehren.
Mit was für Problemen kämpfst du/hast du gekämpft und (wie) hilft dir Schreiben dabei?
Ich habe in meinem Leben viel erlebt, von sexuellen Übergriffen aus der Familie bis hin zu Suizidgedanken war alles dabei. Ich kenne psychische Gewalt, körperliche Gewalt (schon in der Kindheit), Angstzustände, Depressionen, Selbstverletzendes Verhalten, Essstörungen, Mobbing (auch wenn es damals noch Ärgern hieß)...
Bis zu einem gewissen Punkt in meinem Leben könnte man sagen tanzte ich auf einem Vulkan und tendierte immer mal in die eine oder andere Richtung. Mal bin ich euphorisch gewesen und war mir sicher, das Leben könnte nicht schöner sein, daraufhin folgten die Phasen der Selbstverletzungen, der Hass auf mich selbst, die Hoffnung auf ein schnelles Ende.
Ich muss aber auch dazu sagen, ich habe niemals gelernt über Probleme zu reden, da in der Zeit wo man es als Kind lernt, keiner für mich und meine „kindischen Probleme“ Zeit hatte.
Und dieses Defizit wird mich mein Leben lang begleiten.
Mein heutiger Ehemann, als ich ihn kennenlernte, hat mir so sehr geholfen mit meinem Leben ins Reine zu kommen. Er hat mich aufgebaut, er hat mich, wahrscheinlich unbewusst gerettet. Er selbst weiß nichts von alledem, was ich in meiner Kindheit, Jugend und als junger Erwachsene erlebt habe, er würde es auch nicht verstehen und doch ist er mein Fels in der Brandung.
Denn als ich ihn kennenlernte, hatte ich eine schwere Essstörung und zusätzlich ein Burnout.
Ich war damals so tief am Boden und er hat mich Stück für Stück aufgerichtet, mich unterstützt und seit über 20 Jahren, die unsere Beziehung schon hält, hat er es geschafft, das ich mich weder selbst verletzte noch wirklich zurück in eine Depression falle. Er war meine Medizin gegen alles und dafür bin ich ihm dankbar.
Mit dem Schreiben übertriebener Gewaltexzesse, fast immer gegen Frauen, verarbeite ich wohl die eigene Gewalt, die ich in meinem Leben erfahren habe. Doch mittlerweile schreibe ich, weil es geradezu süchtig macht neue Geschichten zu erdenken, Charakter zu erschaffen, die ich anfangs selbst nicht ausstehen kann, sie sich aber zum Ende hin tief in mein Herz gegraben haben.
Wie nutzt du das Schreiben am Liebsten? / Was schreibst du?
Ich zähle meine Geschichten zu dem Genre Romantic Suspense und ehrlich gesagt, ist es als unromantischer Mensch, der ich nun einmal bin, nicht ganz so einfach zu schreiben.
Doch da in meinen Geschichten nicht nur Herzschmerz und Liebesschwüre vorkommen gibt es Phasen in denen ich meine Protas „quälen“ kann und diese Stellen schreiben sich immer wie von selbst.
Ich nutze das Schreiben nicht, es nutzt mich.
Ganz ehrlich, es gibt mir einfach nur ein gutes Gefühl, wenn ich auf meiner Couch sitze, den Laptop auf den Oberschenkeln und anfange die ersten Worte zu schreiben, ohne zu wissen was alles passieren wird. Denn ich plotte nicht, es ist einfach nicht mein Ding. Ich schreibe intuitiv, was aber auch bedeutet, das ich während des Schreibprozesses immer wieder neu recherchieren muss.
Was ist das Schwierigste beim Schreiben / im kreativen Prozess für dich?
Ein Ende zu finden.
Was ist das Schönste / Bereichernste beim Schreiben / im kreativen Prozess für dich?
Der Anfang jeder einzelnen Geschichte ist für mich das Schönste. Was aber auch immer wieder erfreulich für mich ist, sind die ganzen neuen Informationen, die ich in meinem Gehirn abspeichern kann, denn ich lerne gerne.
Gibt es Hobbys und Dinge, die du tust, wenn du nicht schreibst?
Wenn ich nicht schreibe, arbeite ich, wenn ich nicht arbeite und nicht schreibe, dann mache ich den Haushalt, kümmere mich um meine Kinder und um meine Katzen. Sollte ich dennoch Zeit haben, oder einfach keine Lust diese Zeit mit schreiben zu verbringen, dann lese ich gerne Fantasy oder History, ein Genre, das mich sehr fasziniert, ich es aber niemals bedienen könnte.
Ich bin auch ein kleiner Geschichtsfreak, ich sauge alles auf, vom alten Ägypten bis hin ins frühe 19. Jahrhundert, alles was danach kommt interessiert mich überhaupt nicht.
Außerdem liebe ich es mir alte Architektur anzusehen, die schönsten Häuser sind für mich alte Häuser gebaut im Thüringer Fachwerkstil, aber das liegt wohl daran, dass ich aus einer sehr alten Stadt in Hessen stamme, deren Altstadt genau in diesem Stil gebaut ist und ich auch das Glück hatte in einem solchen Haus ein paar Jahre wohnen zu dürfen.
Was treibt dich an?
Ja, was sollte das sein? Meine Kinder, meine Familie, mein absoluter Wille vielleicht. Ich kann die Frage wirklich schlecht beantworten, denn ich habe mir niemals darüber Gedanken gemacht.
Gibt es etwas, dass du Anderen gerne mitgeben möchtest?
Ich kann nur jedem raten, gebt niemals auf, verleugnet euch nicht selbst.
Ein Zitat von Goethe:
Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
Über
(c) Lady of Glencoe - ist Autorin.
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