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Essstörung. Lügen einer Essstörung. Frau liegt und denkt über die Lügen ihrer Essstörung nach.

18 Lügen, die deine Essstörung dir erzählt

Im Laufe der Jahre hat meine Essstörung mir jede Menge Lügen erzählt. Sie hat meinen Alltag, die Beziehung zu mit selbst und die Verbindungen zu den Menschen in meinem Leben beeinflusst und erschwert.

Ich habe lange gebraucht, all die falschen Überzeugungen und tiefverwurzelten Widersprüche ihrer Worte Stück für Stück zu enttarnen und ihre Stimme von meiner eigenen unterscheiden zu lernen.

Denn eine Essstörung erzählt uns jede Menge vermeintliche Wahrheiten über das Leben, das Essen und damit auch über uns selbst.

Lüge #1: Dick sein = Schlecht!

Dicke Menschen werden oft über einen Kamm geschert. Als unattraktiv, impulsiv, ungesund und faul hingestellt, ganz gleich, ob da wirklich etwas dran ist oder nicht.

Dabei gibt es nicht nur die zwei Extreme Dick oder Dünn - sondern in Wahrheit eine ganze Palette aus unterschiedlichen Körperformen und -größen in dieser Welt.

Ja, Übergewicht erhöht die Wahrscheinlichkeit mancher Erkrankungen, aber es ist und bleibt das: eine Wahrscheinlichkeit. Außerdem sagt es nichts darüber aus, ob du gesund bist oder nicht.

Jede Menge Menschen im Normalgewichtsbereich sind krank, bewegen sich nicht und haben schlechte Blutwerte.

Dünnsein ist ebenso wenig eine Garantie dafür attraktiv, gesund und erfolgreich zu sein - wie Dicksein dich automatisch zu einem schlechten oder kranken Menschen macht.

Lüge #2: Wenn ich dünner bin, bin ich endlich glücklich

Nicht nur glücklicher. Ersetz das  Wort "dünner" gerne mit all den anderen tollen Dingen, die du dann sein würdest.

Bei mir waren das zum Beispiel:  attraktiver / selbstbewusster / mutiger / erfolgreicher / kommunikativer / offener / lebensfroher / liebenswerter / wertvoller / gesünder / ...

Wie du siehst: Die Liste ist endlos.

Als wäre Dünn sein ein Wundermittel, dass uns auf direktem Wege zum Glück führt.

Doch das tut es nicht.

Denn langfristiges Glück, wirkliche Zufriedenheit und das, wonach du dich wirklich sehnst, findest du nicht durch die Zahl auf der Waage oder in der besseren Auswahl an Kleidungsstücken in Größe X.

Du findest es nicht in körperlicher Optimierung, sondern dann, wenn du dich dafür entscheidest, dich selbst lieben zu lernen

Innen - und außen.

Lüge #3: Ich muss das Essen einschränken oder es mir verdienen

Wir glauben oft, wir müssten uns zusammenreißen, bestimmte Lebensmittel aus unserem Speiseplan verbannen und unser Hungergefühl unterdrücken, um unseren Traumkörper zu bekommen.

Wir reden uns ein, dass bestimmte Speisen erst verdient werden müssen.

Wir glauben, dass nur ausreichend Sport, stundenlanges Hungern oder das Erreichen bestimmter Ziele, uns die Erlaubnis gibt, essen zu dürfen oder es zu genießen.

Doch Essen ist nichts, was du dir erst verdienen musst.

Dein Körper braucht Nahrung.

Er braucht sie, um deinem Körper optimal mit Energie zu versorgen und die Funkionen aufrechtzuerhalten.

Hungrig sein und Essen zu wollen ist nichts, wofür du dich schämen musst. Denn Hunger ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein physiologisches Grundbedürf.

Lüge #4: Ohne meine Essstörung bin ich nichts / Ich brauche meine Essstörung

Essen war lange Zeit eines der einzigen Dinge, die ich hatte.

Weil es immer da war.

Es hat mich weder strafend angeschaut, noch verurteilt. Es hat unliebsame Gefühle betäubt, meine Wut und meine Traurigkeit geschluckt und die Leere gestillt, die die fehlende Liebe hinterlassen hat.

Essen war mein Freund.

Und nicht zu essen, mein Gewicht zu kontrollieren, penibel und fast schon zwanghaft Punkte und Kalorien zu zählen und damit die schwindende Zahl auf der Waage zu verfolgen, hat mir lange Zeit ein Ziel gegeben.

Etwas, worauf ich mich fokussieren konnte.

Etwas, was mir einen Sinn gegeben hat.

Etwas, dass mich von dem abgelenkt hat, was wirklich in meinem Leben los ist.

Das loszulassen hat mir unglaublich Angst gemacht, doch ich kann dir sagen: Ohne deine Essstörung bist du so viel mehr, als du jetzt glaubst.

Lüge #5: Ich bin nicht krank genug, um eine Essstörung zu haben

Die Diagnose-Kriterien für Bulimie, Magersucht und Binge Eating sind eindeutig - doch wie viele Betroffene dachte ich lange Zeit, dass ich nicht krank bin.

Oder krank genug.

Klar wusste ich, dass ich zu viel esse. Natürlich war mir klar, dass ich viel zu oft esse bis mir schlecht ist und irgendwie immer dann zum Essen greife, wenn ich traurig bin oder sich alles schrecklich anfühlt.

Doch eine Essstörung? Ich? Nein!

Ich habe mir eingeredet, dass ich nur faul und träge bin, mich nicht kontrollieren kann und mich eben bloß zusammenreißen müsste, um endlich dünn zu sein.

Aber weißt du was? Alleine darüber nachzudenken, ob du krank genug bist oder nicht, sagt alles, was du wissen musst.

Denn ein Mensch ohne Essprobleme würde niemals darüber nachdenken.

Das tut nur jemand, der eine Essstörung hat.

Lüge #6: Ich mache eine Diät und wenn ich so und so viel Kilos verloren habe, esse ich wieder normal

Diäten funktionieren nicht.

Das haben sie noch nie.

Sie sind ein kurzzeitiger Ansatz, der sich rächt und dir am Ende das Gefühl gibt, dich nicht gut genug angestrengt zu haben oder ein schlechter Mensch zu sein.

Denn Diäten sind keine Abkürzung, und auch keine Lösung.

Der einzige Weg, dein natürliches Gewicht zu erreichen und zu halten ist es, dich mit deiner Essstörung, ihren Symptomen und Hintergründen auseinanderzusetzen und sie loszulassen.

Lüge #7: Ich war viel glücklicher, als ich xyz gewogen habe

Vielleicht hast du dich leichter gefühlt - doch war dein Gewicht wirklich alles, dass dein Leben zu diesem Zeitpunkt ausgemacht hat?

Die Essstörung redet uns oft ein, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt glücklicher waren, doch die Wahrheit ist: oft ging es uns da aus anderen Gründen gut oder nicht so gut, wie sie uns einreden möchte.

Denn unser Gewicht entscheidet nicht über das Gute und Schöne in unserem Leben.

Es zaubert weder Zufriedenheit herbei, noch lenkt es unser Leben automatisch in die richtigen Bahnen.

Warte nicht darauf, bist du wieder dein altes Gewicht erreicht hast. Du brauchst dieses Ettikett nicht - denn für die Essstörung bist du nie gut genug oder wirst es je sein.

Lüge #8: Es gibt "gute" und "schlechte" Lebensmittel

Salat ist gut, Pommes sind schlecht: Das ist klar, oder etwa nicht?

Ich wünschte, es wäre so leicht. Eine einfache schwarz-weiß-Einteilung in gut und böse, in wichtig und unwichtig, in richtig und falsch.

Fakt ist, es gibt Lebensmittel die dein Körper besser verarbeiten kann als andere. Doch so wie Zucker, Pizza und Fleisch sind automatisch schlecht sind, so sind Salat, Avocados und grüne Smoothies nicht automatisch gut.

Warum? Weil so etwas wie eine ethische Hierachie unter Lebensmitteln nicht existiert.

Sie alle sind nämlich nur eins: Lebensmittel. Nicht mehr, nicht weniger.

Viel wichtiger als das Unterteilen in gute und schlechte Lebensmittel ist es, das zu essen, was du wirklich essen willst.

Das, was dich anspricht, das, wonach dein Körper verlangt - nicht das, was deine Essstörung (oder irgendein Experte) für das Beste, Gesündeste oder Kalorienärmsten hält.

Lüge #9: Wenn ich mich auf mein Gewicht fokussiere, wird alles gut

Solange ich mir einreden konnte, übergewicht zu sein wäre mein tatsächliches Problem - konnte ich die Gefühle, den Schmerz und die Angst erfolgreich zurückdrängen.

Denn eine Essstörung kann uns das Gefühl geben, alles unter Kontrolle zu haben und etwas Wichtiges für uns selbst zu tun, während sie zeitgleich zu einer Waffe wird, die wir gegen uns selbst richten.

Dich auf dein Gewicht zu fokussieren statt dich mit den Dingen zu beschäftigen, die in dir schmerzen, ist, wie ein Pflaster auf eine eiternde Wunde zu kleben.

Darunter nämlich eitert sie weiter, auch wenn du sie eine Weile nicht siehst. Solange nämlich, bis die Gefühle, die Angst und der Schmerz sich wieder in den Vordergrund kämpfen und du sie nicht mehr ignorieren kannst.

Lüge #10: Wenn ich mich nicht jeden Tag wiege, gerät mein Gewicht außer Kontrolle

Mich zu wiegen hat mir Kontrolle geschenkt - das zumindest habe ich mir lange eingeredet.

Es fühlte sich an, als könnte ich das Gewicht auf der Waage kontrollieren und damit auch alles andere in meinem Leben.

Dabei gibt uns die Waage keine Kontrolle. In Wahrheit raubt sie sie uns.

Weil wir aufhören auf unseren Körper, seine Bedürfnisse und uns selbst zu hören- und nur noch für die Zahl leben, die dann über unsere Stimmung, unsere Identität und unser Leben bestimmt.

Es ist normal und natürlich, dass dein Körpergewicht schwankt. Nicht nur von Tageszeit zu Tageszeit, sondern auch von Tag zu Tag. Dich jeden Tag zu wiegen bringt nichts als Frust und Druck mit sich.

Und Kontrolle - die schenkt es dir auch nicht. Im Gegenteil.

Tatsächlich gibt es deiner Essstörung nur einen weiteren Grund, dich zu kritisieren, runterzumachen und kleinzuhalten.

Lüge #11: Ich habe meine Essstörung unter Kontrolle - nicht die Essstörung mich

In Wahrheit lässt deine Essstörung dich glauben, du hättest die Kontrolle, während sie die Fäden in der Händen hält.

Sie beeinflusst direkt oder indirekt jede Entscheidung, die du triffst.

Sie bringt uns dazu, Verabredungen abzusagen, um nicht vor anderen Essen zu müssen oder den langen Weg nach Hause zu laufen, obwohl wir längst erschöpft sind.

Sie sorgt dafür, Sport zu treiben, obwohl uns alles weh tut oder im Kino an einer Cola light zu nippen, statt in den Popcorneimer zu greifen.

Eine Essstörung nimmt so viel Raum in unserem Denken und Fühlen ein, dass sie es ist, die die Kontrolle hat. Nicht wir.

Lüge #12: Je mehr ich mich einschränke, desto leichter wird es

Viel hilft viel - richtig? Nein.

Dich einzuschränken, anzutreiben und runterzumachen macht nichts besser. Es ist ein weitverbreiteter Trugschluss, dass Leiden aus den "richtigen" Gründen letztendlich zu mehr Zufriedenheit führen wird.

Dass wir ernten werden, wenn wir nur genug säen.

Doch dich zu geißeln und schlecht mit dir selbst und deinem Körper umzugehen, führt nicht zu dem Ziel, dass du dir wünschst.

Das kann es nicht.

Lüge #13: Sobald ich genug abgenommen habe, fühle ich mich in meinem Körper wohl und liebe mich selbst

Ich dachte lange, dass ich zufrieden mit mir sein würde und dieses Gefühl von Selbstliebe und Zufriedenheit spüre, sobald ich nur genug abgenommen habe.

Dass ich dann endlich in den Spiegel schauen kann, ohne überschüssige Pfunde, unförmige Proportionen und Makel zu entdecken. Dass ich hineinsehe und mich mit einem Mal schön finden werde.

Doch ganz egal, was die Zahl auf der Waage angezeigt hat: Das Gefühl kam einfach nicht.

Ich habe mich weder selbstsicher, noch selbstbewusster oder attraktiver gefühlt. Stattdessen habe ich meinen Körper an seinem niedrigsten Gewicht genauso sehr gehasst, wie an seinem Höchsten.

Die Wahrheit ist: Selbstliebe kommt nicht automatisch. Sie taucht nicht mit Erreichen eines bestimmten Gewichts urplötzlich im Türrahmen auf, macht dir einen Antrag und wird zum treusten Begleiter deines Lebens.

Nein. Deine Essstörung wird dir niemals helfen, dich selbst zu lieben und dich wohl in deinem Körper zu fühlen.

Doch sobald du lernst, dich selbst zu akzeptieren, so wie du bist - eben mit all deiner unperfekten Einzigartigkeit - dann tritt die Zahl auf der Waage automatisch in den Hintergrund & raubt der Essstörung ihre Macht über dich und deinen Körper.

Lüge #14: Ich verliere die Kontrolle, sobald ich esse, was ich wirklich will

Die Essstörung erzählt uns, dass zu Essen gleichbedeutend mit Kontrollverlust ist.

Dass die einzige Möglichkeit, einen Esssanfall zu vermeiden oder uns nach dem Essen geißeln zu müssen, die ist, unser Essen zu kontrollieren.

Dass wir, sobald wir essen, wass wir wirklich wollen automatisch die Kontrolle verlieren. Weil wir zügellos sind. Unersättlich. Undiszipliniert.

Aber zu Essen, was du wirklich möchtest und brauchst, ist der einzige Weg, um ein natürliches Essverhalten zu entwickeln.

Denn sobald du dir erlaubst, die Signale deines Körpers ernstzunehmen und seine Bedürfnisse zu stillen, kannst du lernen, auf eine natürliche und intuitive Art zu essen.

Eine, in der du Essen nicht mehr dazu benutzen musst, Gefühle zu unterdrücken oder Schmerz abzuschalten.

Lüge #15: Gefühle müssen unterdrückt werden

Manche Gefühle fühlen sich furchtbar an, weil sie intensiv und schmerzhaft sind, doch auch, wenn die Essstörung dir dabei hilft, diese Gefühle zu unterdrücken oder zu betäuben, heißt das nicht, dass sie recht hat.

Denn, wenn du lernst, all deine Gefühle anzunehmen und zu fühlen, egal wie furchtbar und schrecklich sie sich auch anfühlen, verliert die Essstörung ihre Funktion.

Und genau das ist es, was nötig ist, um sie loslassen zu können.

Lüge #16: Mein Gewicht definiert mich

Das ist Schwachsinn.

Was dich ausmacht ist nicht dein Gewicht.

Es ist deine Persönlichkeit, dein Charakter und deine Leidenschaften.

Es ist die Art, wie du anderen begegnest und all die großen und kleinen Dinge, die dich zu dem Menschen machen, der du bist.

Lüge #17: Niemand mag mich, wenn ich dick bin

Menschen lieben dich, weil du du bist, nicht für dein Gewicht.

Wer dich liebt, interessiert sich nicht dafür, wie du aussiehst, was du trägst oder wie viele Kilos du gerade auf die Waage bringst.

Und wenn sie es doch tun: Haben sie schlicht nicht verdient, Teil deines Lebens zu sein.

Lüge #18: Ich werde niemals gesund werden

Egal wie lange du schon mit deiner Essstörung kämpfst oder wie hoffnungslos es sich anfühlt: Sie loszulassen und gesund zu werden ist möglich.

Denn mit jeder Lüge, die du enttarnst und jedem Schritt, den du gehst, nimmst du ihr mehr von der Macht über dich.

Wenn du lernst, zu fühlen und deinen Körper anzunehmen, wie er gerade ist, dann wird deine innere Stimme lauter als ihre.

Dieser Weg ist weder leicht noch verläuft er linear. Er ist hart, schmerzhaft und wird mitunter von Rückschlägen begleitet.

Aber eins kann ich dir sagen: Er lohnt sich.

Du leidest an einer Essstörung?

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Mithilfe des Ess-Journals kannst Du Dich schreibend mit Deiner Essstörung auseinandersetzen.


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